7. Schritt – Achtsamkeit beim Joggen


7. Schritt – Achtsamkeit beim Joggen

Dieser Artikel zum Thema „Achtsamkeit beim Joggen“ ist Teil der Serie „Achtsamkeit beim Laufen“ und möchte Ihnen das Thema Achtsamkeit im Alltag näher bringen. Schrittweise aufeinander aufgebaut können Sie so von Artikel zu Artikel nachvollziehen, wie Sie Teile Ihres Alltags genussvoller, intensiver und einfach „lebenswerter“ machen können.

Nun geht der Fokus Ihrer Achtsamkeit auf die Geräusche

Nehmen Sie sich als nächsten Aufmerksamkeitsfokus die Wahrnehmung von Geräuschen und Klängen.

Sie können beginnen damit, Ihre eigenen Laufgeräusche wahr zu nehmen: wie die Schuhsohlen den Boden berühren oder auch dass Sie Ihren Atem hören. Aber bleiben Sie nicht dabei, sondern weiten Sie Ihre Wahrnehmung auch aus und achten Sie auf andere Geräusche: vielleicht hören Sie Vögel zwitschern, vielleicht den Wind in den Bäumen, vielleicht andere Geräusche von Natur, vielleicht Stadtgeräusche, vielleicht auch ein- oder mehrere Autos, die vorbei fahren.

Sie nehmen die Geräusche einfach wahr – wie sie auf Ihre Ohren treffen und dann auch wieder verklingen. Registrieren Sie sie einfach, möglichst ohne sie zu bewerten oder von den Klängen zu Gedanken angeregt zu werden.

Es können angenehme Geräusche sein oder unangenehme Geräusche. Bei manchen hätten Sie vielleicht gerne, dass sie noch weiter andauern würden, bei anderen, dass sie möglichst schnell aufhören oder leiser wären. Aber Sie machen keinen Unterschied! Wie ein Mikrofon, das unbeteiligt alles aufnimmt, was an Geräuschen da ist, so nehmen Sie die Geräusche wahr und lassen sie wieder gehen.

… und da kommen sie wieder, die Gedanken …

Das ist nicht einfach, denn oft verleiten uns Geräusche zu Gedanken oder sogar Emotionen, wie z.B. „die Autos verpesten unsere ganze Natur“, „können die die Musik nicht leiser machen“ oder „dieses Hundegebell macht mich wahnsinnig“ mit den entsprechenden negativen Emotionen von Ärger oder sogar Wut und Zorn!

Oder es sind vielleicht angenehme Geräusche, wie z.B. Vogelgezwitscher, ein Wind in den Bäumen oder eine schöne Melodie, die an unser Ohr dringt. Dann können schnell Gedanken aufkommen von „wie schön war das früher, als es noch mehr Vogelgezwitscher gab“ oder „das ist doch die Melodie vom letztem Urlaub“ oder ähnliches. Und diese können uns auch fort tragen, in angenehme Erinnerungen!

Doch auch hier gilt natürlich wieder: gegen all dies ist nichts zu sagen, warum sollte man auch nicht in angenehmen Erinnerungen schwelgen?

Aber es ist leider auch nicht das, was wir unter Achtsamkeit beim Joggen verstehen. In dem Moment, wo uns Gedanken hinweg treiben, sind wir nicht mehr im „Jetzt“ und nehmen nicht mehr wahr, wie der jetzige Moment ist. Vielleicht ist es ja gerade jetzt im Moment auch angenehmer im Außen als in unseren Erinnerungen – doch wir bekommen es aber nicht mit!

Und wenn es unangenehme Gedanken sind, dann verengt sich auch dann unsere Wahrnehmung, so wie immer, wenn wir in Stress geraten.

Baden in Geräuschen und Klängen

Daher lohnt es sich, bei der Achtsamkeit beim Joggen sich ganz zu öffnen für die Wahrnehmung der Welt der Geräusche . Mir hilft dabei sehr die Metapher vom „Ganz und gar baden in Geräuschen, wie ein Eintauchen in die Welt der Klänge“ – doch vielleicht haben Sie eine ganz andere Metapher, die Sie unterstützt?

Helfen kann es auch, mit Achtsamkeit beim Joggen wahrzunehmen, wie es sich „unter“ den Geräuschen anhört, „neben“ den Geräuschen oder „hinter“ den Geräuschen – vor allem, wenn es unangenehme Geräusche sind!

Denn diese haben es meist recht einfach, unsere Aufmerksamkeit zu erlangen und uns auf sie fokussieren zu lassen. Und dann nehmen wir nur noch diese Geräusche wahr und blenden alle anderen aus. Und oftmals verstärkt unser Inneres diese unangenehmen Geräusche auch noch! Auch hierfür liegt der Grund in der Zeit unserer Vorfahren: in der Vorzeit war es sehr von Vorteil, möglichst genau ein Gefahrengeräusch horchen zu können. Wer dieses am frühesten, besten und genauesten wahrnahm, der konnte früh genug auf die Gefahr reagieren. Und so hat unser Gehör über die Jahrtausende eine enorme automatische Verstärkungsleistung erlernt, je nachdem, ob wir „nicht genau hinhören“ oder aber „ganz genau horchen“. Denken Sie nur, wie hoch sensibel unser Gehör wird, wenn wir im z.B. dunklen Wald sind und ein Geräusch hören, was uns gefährlich vor kommt. Oder nachts in einem Haus, das wir nicht kennen, und in dem wir vielleicht alleine sind.

Unser Gehirn – der automatische Super-Verstärker

Doch leider passiert genau das selbe, wenn wir ärgerlich über Geräusche werden, wütend oder uns vor gewissen Geräuschen fürchten, da sie auf Gefahr hinweisen oder uns an diese erinnern. Dann wird unser Gehör unglaublich sensibel. Ohne, dass wir bewusst etwas tun oder uns anstrengen müssten … dies macht unser Unbewusstes völlig automatisch!

Bei einigen Menschen hat sich dieser Prozess verselbständigt und sie nehmen daher gewisse Geräusche in unglaublicher Lautstärke wahr, was zu unangenehmen Gefühlen führt. Sie beschreiben dies meist als „Wut auf diese Geräusche“. Und diese Wut lässt wiederum die Sensibilität noch größer werden. Ein Teufelskreis, der leiseste Geräusche ausgelöst werden kann. Diese Menschen leiden an „Misophonie“ und damit sehr unter speziellen Geräuschen, sei es das Schlucken, Räuspern, Atemgeräusche ihrer Mitmenschen oder anderen Geräuschen ihrer Umwelt.

… bis hin zu krankmachenden Fokussierungen …

Hier kann es helfen, die eigene Fokussierung auf diese unangenehmen Geräusche in jeweiligen Moment zu bemerken und dann ganz bewusst zu versuchen, die anderen Geräusche zu beachten, die ja auch in diesem Moment vorhanden sind. Hier kann die Frage an sich selber helfen: „was gibt es außer diesem einen Geräusch noch zu hören?“

Doch grundsätzlich geht es beim Training von Achtsamkeit beim Joggen nicht darum, die guten Geräusche bewusst wahr zu nehmen, und bei den unangenehmen weg zu hören – wir nehmen alle Geräusche, die kommen, gleich wahr.

Wir sind immer umgeben von Geräuschen – jede Sekunde unseres Lebens! Und wenn uns auffällt, dass wir uns auf eines oder einige Geräusche fokussieren, dann versuchen wir aktiv, alle anderen Geräusche auch wahr zu nehmen und so das akustische Wahrnehmungsfeld wieder zu erweitern.

Und auch hier gilt wieder: üben Sie dieses „Baden in Geräuschen und Klängen“ beim Laufen. Sobald Sie es schaffen, mehrmals ohne längere Ablenkungen von Gedanken den Fokus Ihres Gewahrseins für ca. 15 Minuten auf der Wahrnehmung der Welt der Geräusche zu halten, so können Sie zum nächsten Schritt dieses Trainings von Achtsamkeit beim Joggen über gehen:

Achtsamkeit beim Laufen mit Fokus auf die Gedanken.

Ihr

Ralf Rosenbaum

Achtsamkeit und MBSR Köln
– MBSR-Lehrer
– Achtsamkeitscoach
– Heilpraktiker (Psychotherapie)