8. Schritt – Achtsam Joggen
Dieser Artikel zum Thema „Achtsam Joggen“ ist Teil der Serie „Achtsamkeit beim Laufen“ und möchte Ihnen das Thema Achtsamkeit im Alltag näher bringen. Schrittweise aufeinander aufgebaut können Sie so von Artikel zu Artikel nachvollziehen, wie Sie Teile Ihres Alltags genussvoller, intensiver und einfach „lebenswerter“ machen können.
Fokus auf die Gedanken
Als nächsten Schritt bei diesem Achtsamkeitstraining beim Joggen können wir unsere Aufmerksamkeit auf die Welt der Gedanken richten. Also auf das, was Sie wahrscheinlich bisher als häufig als eher störend wahrgenommen haben. Hierzu lohnt es sich, in einem ersten Schritt für eine kurze Zeit die Aufmerksamkeit wie beim vorherigen Schritt auf die Welt der Geräusche auszurichten und so den eigenen Raum des Gewahrseins zu öffnen. Nach einiger Zeit wird Ihnen auffallen, dass Gedanken auftauchen.
Nun gehen Sie aber nicht zurück zu den Geräuschen, sondern betrachten Sie während Sie achtsam joggen den aufgetauchten Gedanken und was sein Inhalt ist. Und vielleicht bemerken Sie dann, dass ein weiterer Gedanke auftaucht. So, wie in der Wahrnehmung der Geräusche auch unterschiedlichste Geräusche zur gleichen Zeit auftauchen und zugleich gehört werden können. Und wie in der Übung zu den Geräuschen brauchen Sie die Gedanken nicht „zu verscheuchen“ oder mit ihnen zu kämpfen, um sie zu verjagen. Genauso wenig sollten Sie jedoch in die Gedanken einsteigen, denn sonst werden Sie von ihnen fort getragen.
Gedanken kommen und gehen – und Sie schauen dabei zu
Während Sie achtsam joggen nehmen Sie die Gedanken so wahr, wie Sie die Geräusche vorher wahr genommen haben: sie sind da, sie kommen und sie gehen und wir brauchen nichts zu tun, um sie zu verändern oder zu vertreiben. Nehmen Sie die aufkommenden Gedanken wahr, als ob es „Gedanken-Geräusche“ wären, die mit Ihnen nichts zu tun haben. Und in der Tat, im Buddhismus werden Gedanken als „Objekte des Geistes“ angesehen: sie kommen, bleiben und gehen dann auch wieder. Sie haben nichts mit Ihnen persönlich zu tun denn – so, wie die Speicheldrüsen dauernd Speichel produzieren, so produziert das Gehirn dauernd Gedanken. (Übrigens: es kann ja auch nichts anderes 🙂 ).
Achtung Teufelskreis
Versuchen Sie aber nicht, „gedanken-frei“ zu werden, denn dann beginnen Sie mit dem Kämpfen, dem Verjagen oder dem Ausblenden von Gedanken. Das führt nach meiner Erfahrung genau zum Gegenteil: es tauchen umso mehr Gedanken auf! Der Grund dafür liegt darin, dass Stress und Anspannung wie bzw. beim inneren Kämpfen das Gehirn beginnt, nach „Lösungsmöglichkeiten“ zu suchen und das wiederum sind: Gedanken! Es würde also ein Teufelskreis!
Das beste, was in diesem Fall hilft, ist die selbe Haltung, die wir vorher bei der Welt der Geräusche geübt haben: Ein Gedanke taucht auf – wir sehen ihn und nehmen eine großzügige Haltung ein von „auch Du darfst sein“ – und beachten ihn nicht weiter. Dies führt nach gewisser Zeit dazu, dass weniger Gedanken auftauchen, die Pause zwischen den Gedanken langsam größer wird und die von den Gedanken hervor gerufenen Emotionen immer mehr abnehmen.
Und genau hier unterstützt das achtsame Joggen: wahrscheinlich dadurch, dass wir ja kontinuierlich schauen müssen, dass wir nirgendwo stolpern, den Weg finden müssen, mit niemandem zusammenstoßen usw., ist unser Gehirn dauernd mit einer Sache beschäftigt und kann sich nicht so sehr in den eigenen Gedanken verbeißen.
Laufen macht den Kopf „locker“
Sie können dies vorab gerne einmal ausprobieren: nehmen Sie sich eine komplexere Rechenaufgabe vor, die Sie im ruhigen Zustand im Kopf rechnen können. Nun versuchen Sie diese beim Laufen zu lösen – und schauen, wie Ihnen dies gelingt. 🙂
Bei mir ist dies sehr viel schwerer, da die Fokussierung sehr viel weniger gelingt als beim Nachdenken im Sitzen. Oftmals erlebe ich es auch, dass ich, wenn ich achtsam joggen gehe viele Probleme der vergangenen Tage auftauchen. Aber weil mein Gehirn mit dem Laufen beschäftigt ist, und ich nicht versuche, die Probleme aktiv zu lösen, so verschwinden sie wieder sehr viel einfacher und kommen zur Ruhe. Mit dem sehr schönen Nebeneffekt, dass ich sehr häufig nach meinem wöchentlichen Lauf den Kopf für den Rest des Tages angenehm frei habe.
Und auch hier gilt natürlich wieder: Gedanken über für Sie wichtige anstehende Probleme sind natürlich wichtig und richtig. Jedoch ist es vielleicht besser, wenn Sie achtsam joggen dem Kopf etwas Entspannung und Leere zu gönnen. Danach – das werden Sie sehen – können Sie viel besser und mit erfrischtem Geist Ihr(e) Problem(e) wieder angehen. Kein Problem – die laufen meist nicht weg! Häufig ist es mir sogar passiert, dass ich auf neue – meist ganz kreative – Lösungen gekommen bin, während ich gerade nicht drüber nach gedacht habe. Scheinbar „aus dem Nichts“ tauchten neue Lösungsideen auf. Wie Geschenke aus dem Un-Bewussten.
Problem? Gerade dann achtsam joggen gehen!
Aus diesem Grunde lohnt es sich sogar, bei dringenden zu lösenden Problemen – und vielleicht ja gerade dann – eine Runde achtsam joggen zu gehen mit der Ausrichtung auf Gedanken. Probieren Sie es aus!
Und auch hier gilt wieder: üben Sie dieses „baden in Gedanken“ während Sie achtsam joggen. Sobald Sie es schaffen, mehrmals den Fokus Ihrer Aufmerksamkeit für ca. 15 Minuten auf der Wahrnehmung der Welt der Gedanken zu halten, ohne in ihnen zu versinken oder gegen sie zu kämpfen, so können Sie zum nächsten Schritt in diesem Achtsamkeitstraining beim Joggen über gehen.
Ihr
Ralf Rosenbaum
Achtsamkeit und MBSR Köln
– MBSR-Lehrer
– Achtsamkeitscoach
– Heilpraktiker (Psychotherapie)